OM5: Der Beginn einer Ultrabreitband-Ära? | Corning

OM5: Der Beginn einer Ultrabreitband-Ära?

OM5: Der Beginn einer Ultrabreitband-Ära?

von Cindy Ryborz (Marketing Manager DC EMEA bei Corning Optical Communications) und Doug Coleman (Manager of Technology and Standards bei Corning Optical Communications)
Veröffentlicht im Lanline Magazin, August 2019

Im Oktober 2014 rief die Telecommunications Industry Association (TIA) eine Arbeitsgruppe ins Leben, um Richtlinien für eine Wide-Band Multimode Glasfaser (WBMMF) 50/125 µm zu entwickeln, die die Übertragung mit kurzen Wellenlängen (Short-Wavelenght Division Multiplexing – SWDM) unterstützt. Der TIA-492AAAE Faser-Standard wurde im Juni 2016 veröffentlicht, die Bezeichnung OM5 wurde dann im Oktober 2016 von der ISO/IEC JT1/SC25 vergeben. Bis heute wird OM5 jedoch nur wenig genutzt. Warum ist das so? Und warum wurde OM5 überhaupt eingeführt? Wie sieht die Zukunft aus? Wird OM5 jemals an Bedeutung gewinnen?

In lokalen Netzwerken sowie in Rechenzentren bleiben Multimode-Fasern (MMF) der dominante Fasertyp, weil sie die niedrigsten Verbindungskosten (cost per link) für kurze Entfernungen ermöglichen (berechnet nach den Kosten für die Verbindung und den optischen Transceivern).

Es ist wichtig, den Unterschied zwischen standardkonformen Transceivern und proprietären Lösungen, sogenannten MSA-Transceivern zu kennen. Erstere arbeiten im Ethernet-Kontext mit optischer Übertragung und wurden als Teil des IEEE 802.3 Ethernet Standards anerkannt, dessen Vorgaben sie unterliegen und erfüllen. Eigenentwickelte / MSA-Transceiver werden nicht als IEEE-standardkompatibel anerkannt. MSA-Transceiver (Multi-Source Agreement Transceiver) wurden aufgrund von Absprachen zwischen verschiedenen Herstellern entwickelt, um über Herstellergrenzen hinweg kompatibel zu sein. Sie unterliegen aufgrund dieser Vereinbarungen zwischen den Herstellern zwar einem De-Facto-Standard, jedoch keinem offiziell verabschiedeten Industriestandard wie IEEE. Entweder hat die zugrundeliegende Proposed Physical Media Dependent (PMD) Technologie im Standardisierungsgremium nicht genügend Stimmen erhalten, um als standardkonform zu gelten, oder der Transceiver verfügt über Technologie, die nie als Teil des offenen IEEE-Industriestandards geplant war. Die Unterscheidung der beiden Terminologien ist wichtig, da der Markt sehr vielseitig ist und viele verschiedene, eigenentwickelte Transceiver-Typen verfügbar sind.

Im Ethernet-Bereich von 1G bis 400G haben alle standardkonformen Multimode-Transceiver eine Sache gemeinsam: Sie nutzen Oberflächenemitter (Vertical-Cavity Surface-Emitting Lasers – VCSELs), die mit Wellenlängen von 850nm arbeiten. Als VCSELs eingeführt wurden, wurden diese dafür entwickelt, Licht mit einer Wellenlänge von 850nm zu produzieren. Dies war die damals vorgegebene, MMF-spezifische Wellenlänge. Design und Technik der Glasfasern wurden dann weiterentwickelt, um die Glasfaser-Bandbreite im 850nm-Bereich zu optimieren. Als zum Beispiel die OM4-Faser eingeführt wurde, unterschied sich diese deutlich von i Vorgänger OM3. OM4 bot 4700 MHz•km anstatt der vorherigen 2000 MHz•km der OM3-Faser.

Im Zeitraum vom dritten Quartal 2019 bis zum ersten Quartal 2020 werden voraussichtlich die ersten verfügbaren 400G-VCSEL-Transceiver für 400GBASE-SR8 und 400GBASE-SR4.2 auf den Markt kommen. Der Einsatz von VCSELs bei Geschwindigkeiten von bis zu 400G mit Multimode-Fasern zeigt deren Potenzial für Synergien aus kostengünstigen optischen Verbindungen und elektronischen Komponenten.

Eine zweite Eigenheit von Multimode-Transceivern ist ebenfalls wichtig: das Konzept der parallelen Übertragung, das manche auch als parallel-optische Technologie bezeichnen. Für die Ethernet-Geschwindigkeiten von 1G, 10G, 25G und 50G nutzen Multimode-Transceiver zwei Fasern – eine zum Empfangen von Signalen und eine zum Senden. Dieser Vorgang wird oft auch als serielle Übertragung bezeichnet. Da die Geräte zwei Fasern nutzen, ist das Steckgesicht für diese Transceiver ein
LC-Duplex. Jedoch wurde 2010 mit der Einführung des 40G 802.3ba Ethernet-Standards das Konzept von parallel-optischer Übertragung eingeführt. Im Fall von 40GBASE-SR4 Transceivern arbeiten insgesamt acht Fasern parallel: vier, die mit jeweils 10G senden und weitere vier, die mit jeweils 10G empfangen. Der Multifaser MTP-Stecker bildet die definierte Schnittstelle in den Transceiver hinein. Ein Hauptmerkmal der parallel-optischen Transceiver wie z.B. 40GBASE-SR4 ist, dass ein 40G MTP Switch-Port auf vier LC-Duplex 10GBASE-SR Ports aufgeteilt werden kann (Port Breakout). Dies führt zu Kosteneinsparungen und einer höheren Dichte der Switch-Ports. Eine Linecard mit 32 x 40G Ports kann auf 128 x 10G Kanäle aufgeteilt werden. Für Netzwerk-Administratoren, die eine Port Breakout-Funktionalität sowie 40G- oder 100G-Verbindungsstrecken mit mehr als 150 m benötigen – die von 40GBase-SR4 und 100GBase-SR4 Transceivern unterstützt werden – wurde zusätzlich ein proprietärer Transceiver für die Reichweitenerhöhung entwickelt: der eSR4 (40G-eSR4 – 300/400m OM3/OM4 und 100G eSR4 170/300m) (OM3/OM4). Zusätzlich zu den erreichbaren Energiekosteneinsparungen kann ebenso mit geringeren Kühlkosten gerechnet werden. Dies ist ein besonders wichtiger Punkt, da hier die Nachhaltigkeit von Investitionen beachtet wird, die für 40G erwiesen ist und für die 100/200/400G-SR4 Varianten ebenso skaliert.

 

   
  Grafik 1: 40GBASE-SR4, 100GBASE-SR4, 200GBASE-SR4 und 400GBASE-SR4.2 8 parallel-optische Übertragung  

 

Über die letzten Jahre hinweg wurden einige eigenentwickelte / MSA-Transceiver eingeführt, wie zum Beispiel die bewährten 40G-BiDi- und 100G-BiDi-Transceiver. Ebenso gibt es die bereits erwähnten SWDM-Transceiver. Ähnlich wie BiDi für 40G- oder 100G-Verbindungen, benötigt SWDM nur eine Zwei-Faser-LC-Duplex-Verbindung. Es unterscheidet sich insofern, dass es in vier Wellenlängen pro Fasernetz arbeitet, die im Frequenzbereich von 850 nm bis 940 nm liegen.

 

   
  Grafik 2: 40G/100G 2-Faser SWDM-Verbindung (4x10G/Wellenlänge und 4x25G/Wellenlänge)  

 

Vier verfügbare Wellenlängen werfen eine interessante Frage auf: Wie kann die bestmögliche Leistung dieser Transceiver für Wellenlängen von bis zu 940 nm ermittelt und optimiert werden, wenn die Bandbreite von OM3/OM4 normalerweise bei 850 nm liegt? WBMMF ist letztendlich eine OM4-Faser, da WBMMF die Bandbreiten-Vorgaben von EMB ≥4700 MHz•km bei 850 nm erfüllen muss. WBMMF hat jedoch auch eine festgelegte Bandbreite bei 953 nm. Die EMB-Spezifikation für 953 nm liegt bei ≥2470 MHz•km.

Hier eine Übersicht von OM4-Fasern im Vergleich zu OM5 bei 100G:

 

   
  Tabelle 1: Übersicht 100G Transceiver  

 

 

   
  Tabelle 2: Übersicht OM3/OM4/OM5 Bandbreiten1  
  [1] Effektive Modal-Bandbreite unterstützt alle Wellenlängen von 840 nm bis 953 nm bei IEC 60793-2-10. Für OM3, liegen die Empfehlungen bei 1260 MHz km für 910 nm und 1033 MHz km bei 953 nm,
Für OM4, liegen die Empfehlungen bei 1980 MHz km für 910 nm und 1459 MHz km bei 953 nm. Für OM5, liegen die Empfehlungen bei 3100 MHz km für 910 nm.
 

 

Da OM5 am Markt erhältlich und zudem teurer als OM4 ist, ist anzunehmen, dass diese Faser bestimmte Vorteile bietet. Gegenüber OM3 erweist sich diese Annahme als richtig, da OM5- und OM4-Multimodefasern dieselbe Bandbreite bei 850 nm haben und somit OM3 überlegen sind. Bei Bandbreiten jenseits der Standards für 850 nm-Multimode-Transceiver sind OM5 und OM4 somit die bessere Wahl. Es stehen dabei verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, wie Tabelle 3 zeigt:

 

   
  Tabelle 3: Übertragungsdistanzen (in Metern) pro Faser-Typ und Transceiver-Typ  

 

Analysen zeigen, dass mit den zunehmenden Datenraten von 10G auf 40G auf 100G Verbindungslängen bis 100 m etwa 90 bis 95 Prozent aller OM3- und OM4-Verbindungen ausmachen (siehe Abbildungen 3 und 4). Für die überwiegende Mehrheit der Rechenzentren ist eine Verbindungslänge bis zu 100 m also mehr als ausreichend, um ihre Anforderungen zu erfüllen.

 

   
  Grafik 3: OM3-Systemlänge  

 

 

   
  Grafik 3: OM3-Systemlänge  

 

Zusammenfassend kann man sagen:

  1. OM5-Fasern bieten keinen Mehrwert gegenüber OM4, wenn standardbasierte 850 nm-Technik zum Einsatz kommt.

  2. Bei 40G bieten sowohl BiDi- als auch SWDM-Transceiver mit OM5 eine bessere Reichweite im Vergleich zu OM4, da beide auf mehreren Wellenlängen arbeiten.

  3. OM5 bietet mit BiDi- und SWDM-Transceivern auch bei 100G Vorteile, da OM5 eine Reichweite von bis zu 150 m bietet; die OM4-Faser kommt hingegen auf 100 m.
     

Was ist also das perfekte Einsatzszenario für OM5? Die Antwort hängt von vielen Faktoren ab, wie zum Beispiel der Netzwerkgeschwindigkeit, der benötigten Übertragungsdistanz und der eingesetzten Transceiver-Technologie.

Vor allem, wenn BiDi- oder SWDM-Transceiver eingesetzt werden, sind die Netzwerkgeschwindigkeit und die benötigte Übertragungsdistanz die entscheidenden Faktoren. Unternehmen sollten sich drei Fragen stellen, um für sich zu beantworten, ob OM5 für sie in Frage kommt:

  1. Steht in naher Zukunft eine Umstellung des Netzwerkes auf 100G an?

  2. Ist ein Großteil der Verbindungen im Rechenzentrum länger als 100 m?

  3. Wie wichtig sind die Gesamtkosten pro Verbindung?
     

Wenn man bedenkt, dass nur wenige Netzwerkadministratoren MMF-Verbindungen über 100 m einsetzen und nur sehr wenige Unternehmensnetzwerke oder Rechenzentren schon 100G nutzen, erklärt das die bisher langsame Verbreitung von OM5. Kurz gesagt besteht derzeit noch kein echter Bedarf für eine derart kostspielige Technologie.

Mit der steigenden Verbreitung von 100G könnte OM5 jedoch attraktiver werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn BiDi- oder SWDM-Transceiver zum Einsatz kommen und Verbindungslängen zwischen 100 m und 150 m benötigt werden. Da OM4 sowie OM5 die IEEE-Standards für 100G-SR2, 200G-SR4, 25G -SR, 50G-SR sowie 400G (SR8, SR4.2) erfüllen, hat der Kunde eine Wahl. Davon profitieren insbesondere Kunden in sehr wettbewerbsintensiven Märkten. Letztendlich ist eines klar: Der niedrigste Preis für die Kosten der Verbindung über die benötigte Distanz wird gewinnen.