Verteilte Sensorkabel in gewerblichen Einsatzbereichen | Corning

Verteilte Sensorkabel in gewerblichen Einsatzbereichen

Verteilte Sensorkabel

Sensoren können unterschiedliche technologische Formen annehmen und in vielen Anwendungen eingesetzt werden.

von Matt Miller

Netzwerke sind heutzutage anspruchsvoller denn je - immer in Betrieb, stets zuverlässig und ohne jegliche Ausfallzeiten, egal um welche Anwendung oder Umgebung es sich handelt. Anstatt auf Probleme zu reagieren, sobald sie auftreten, suchen Eigentümer und Betreiber nach Möglichkeiten, ihre Infrastruktur proaktiv zu überwachen. Wie können Probleme erkannt und behoben werden, bevor sie auftreten, so dass die Zuverlässigkeit gewährleistet ist und Ausfallzeiten vermieden werden?

Wäre es nicht phänomenal, man wäre permanent, präzise und in Echtzeit in der Lage, kleinste akustische, Temperatur- und/oder Zugbelastungs-Veränderungen an jeder beliebigen Stelle eines Glasfaserkabels in einer Außenanlage wahrzunehmen? Und je nach verwendeter Abfrageeinheit oder Laserquelle wäre man in der Lage, unterschiedliche Umweltereignisse in Entfernungen von einem bis zu mehreren Dutzend Kilometern zu erkennen – mit einer Vielzahl von verteilten "virtuellen" Sensoren entlang des gesamten Verlaufs? Zukunftsmusik? Nein, all dies ist längst Realität – durch den Einsatz von Lichtwellenleitern als intrinsischem Sensormedium.

Doch wie funktioniert diese Technologie nun genau, was sind die Vorteile und welche Anwendungen sind möglich? Wir beginnen mit einer kurzen Geschichte, bevor wir die verschiedenen Arten von Faser-Sensornetzwerken erläutern.

Eine kurze Geschichte über Sensorik

Es ist über 50 Jahre her, dass das erste Patent angemeldet wurde, das die Verwendung von Glasfaseroptik als eine Möglichkeit zur Messung von Umweltereignissen in Betracht zog. Das 1967 erteilte US-Patent mit der Nummer 03327584 beschreibt ein Faserbündel, das eine Oberfläche beleuchtet und dabei das reflektierte Licht gleichzeitig wieder erfasst. In den frühen 1980er Jahren wurden faseroptische Akustiksysteme in Sensorarrays für das Unterwasser-Sonar der Virginia-Klasse (Lightweight Wide Aperture Aarray, LWWAA), für Schlepp-Arrays und für andere Überwachungssysteme verwendet.

Der Einsatz von faseroptischer Sensorik für die Überwachung von Bohrlöchern und Tiefbohrlöchern in der Öl- und Gasindustrie ist seit 20 Jahren im Gange. In den 2000er Jahren kam die verteilte Temperaturmessung zum Einsatz, gefolgt von der verteilten akustischen Messung in den 2010er Jahren. Obwohl die Technologie in vielen Fällen wertvolle Erkenntnisse liefert, wird sie bei weitem nicht an jedem Bohrloch eingesetzt. Es besteht jedoch die Aussicht, dass die Faser-Sensorik in bestimmten Anwendungen zum Standard avancieren wird.

In den vergangenen zehn Jahren wurde die verteilte faseroptische Sensorik eingesetzt, um Lecks in Öl- und Gaspipelines an Land zu erkennen und zu verhindern. Ein Beispiel: Im Jahr 2016 erhielt OptaSense den Zuschlag für die Lieferung einer Leck-Erkennungs- und Sicherheitslösung für die Trans-Anatolische Erdgaspipeline (TANAP). Diese Lösung wird mehr als 1.850 Kilometer der Pipeline sowie die Umkreissicherheit aller Anlagenstandorte überwachen. Gegenwärtig werden weltweit mehr als 15.000 Kilometer Pipeline mit Hilfe von Faser-Sensortechnologie überwacht. 

Es gibt drei Arten von Faser-Sensor-Netzwerken:

Punktsensornetzwerke - Hier ist jeder Sensor eigenständig und muss per Backhaul einzeln abgerufen werden. Punktsensoren werden gewöhnlich bei kürzeren Distanzen eingesetzt. Die genauen Standorte der Punktsensoren auf einer bestimmten Strecke zu kennen ist entscheidend, um die von der Umgebung empfangenen Daten entsprechend sinnvoll auswerten zu können.

Quasi-dezentrale Sensornetzwerke - Eine Variante der quasi-dezentralen bzw. verteilten Sensorik umfasst die Verwendung von mehreren Bragg-Gittern (Fiber Bragg Grating, FBG), die in die Faser eingebettet sind. Der Brechungsindex des Faserkerns wird so modifiziert, dass bestimmte Wellenlängen des Lichts durchgelassen werden, während andere zur Quelle zurück reflektiert werden. Jedes FBG kann eine bestimmte Wellenlänge reflektieren, so dass jedes einzelne entlang des Faserverlaufs identifizierbar ist. Mit anderen Worten: FBGs wirken wie Inline-Wellenlängenfilter, die bestimmte Wellenlängen zurück zur Quelle reflektieren, und es können mehrere FBGs in einem einzigen Faserverlauf eingesetzt werden. Wie bei Punktsensornetzwerken ist es entscheidend zu wissen, wo sich die FBGs im Verhältnis zu dem, was gemessen wird, befinden. Nur so können die Daten richtig interpretiert werden.

Dezentrale bzw. verteilte Sensornetzwerke - Die Anzahl der Sensoren ist entlang einer optischen Faser verteilt, und sie variiert je nach Länge des Systems, der räumlichen Genauigkeit der Sensoren und der verwendeten Abfrageeinheit. In der Regel beträgt die räumliche Abdeckung jedes Sensors 1 bis 10 Meter. Bei der verteilten Messung wird ein Lichtimpuls über eine Faser gesendet und das von diesem Impuls zurückgestreute Licht interpretiert. Durch Untersuchung der Rayleigh-, Brillouin- und Raman-Rückstreuung ist es möglich, Akustik, Dehnung/Temperatur bzw. Temperatur zu erfassen. Die verteilte Erfassung kann die oft mühsame und kostspielige Integration von Hunderten oder Tausenden separater Sensoren in eine einzige durchgängige Lösung ersetzen.

Drei Haupttypen von verteilten Sensoranwendungen sind zu unterscheiden:

  • Bei der "Verteilten akustischen Abtastung" (Distributed Acoustic Sensing, DAS) werden "virtuelle" Mikrofone entlang einer Faser angeordnet. Die Anzahl der Mikrofone ergibt sich aus räumlicher Verteilung, Abstand und Impulslänge. Die Reichweite der Abfrageeinheiten variiert, je nach Anbieter beträgt sie in der Regel 30 bis 50 Kilometer. Mehrere Abfragegeräte können miteinander vernetzt werden, so dass ein einzelner Betreiber Tausende von Kilometern überwachen kann.
  • Bei Anwendungen mit "Verteilter Temperaturmessung" (Distributed Temperature Sensing, DTS) werden "virtuelle" Thermometer entlang einer Faser angeordnet. DTS hat eine Reichweite von 10 bis 100 Kilometern, eine räumliche Genauigkeit von 1 bis 5 Metern, Messzeiten von 2 bis 30 Minuten und eine Messgenauigkeit von <0,5 bis <5,5 Grad Celsius. Zu beachten ist jedoch, dass alle diese Charakteristiken voneinander abhängen.
  • Die "Verteilte Messung von Zug- oder Dehnungsbelastung" (Distributed Strain Sensing, DSS) umfasst "virtuelle" Belastungsmessgeräte, die entlang einer Faser installiert sind. Manche Lösungsansätze, die ein Brillouin-basiertes System verwenden, ermöglichen es, Dehnungen in einem Bereich von mehr als 65 Kilometern, mit einer räumlichen Genauigkeit von etwa 1 Meter und einer Messgenauigkeit von weniger als 10 Mikroepsilon (Microstrain, µe) zu erfassen.

Wie bereits erwähnt, kann die Rückstreuung (Backscatter) des Lichts in einem verteilten Sensornetzwerk in drei Komponenten zerlegt werden: Rayleigh, Brillouin und Raman. 

Die Rayleigh-Rückstreuung wird hauptsächlich für verteilte akustische Anwendungen verwendet. Akustische Signale oder Schallwellen, die auf die Faser einwirken, verursachen kleine Änderungen des Brechungsindexes. Diese Änderungen können bei Rayleigh-Rückstreuung unter Einsatz eines kohärenten optischen Zeitbereichsreflektometers (Coherent Optical Time Domain Reflectometry, COTDR) erfasst werden. Üblicherweise kommt eine Standard-Singlemode-Glasfaser zum Einsatz.

Brillouin-Rückstreuung wird für Dehnungs- und/oder Temperaturmessungen verwendet. Wenn die Faser unter Spannung steht, kann eine Brillouin-Frequenzverschiebung erkannt und ausgewertet werden. Das Brillouin-Zeitbereichsreflektometer (BOTDR) wird verwendet, oder – für erweiterte Funktionen – ein optischer Brillouin-Zeitbereichsanalysator (Brillouin Optical Time Domain Analyzer, BOTDA).  Üblicherweise kommt eine Standard-Singlemode-Glasfaser zum Einsatz.

Raman-Rückstreuung wird hauptsächlich für Temperaturmessungen verwendet. Um Temperaturänderungen zu erkennen, werden der temperaturabhängige Anti-Stokes-Raman-Peak und der nahezu temperaturunabhängige Stokes-Raman-Peak verglichen. Die Temperatur wird auf der Grundlage der Differenz zwischen den beiden bestimmt. Für kürzere Distanzen wird normalerweise eine Standard-Multimode-Faser verwendet.

Branchenübersicht

Laut "Future Market Insights" sind die Märkte für Öl und Gas treibende Kraft für das Wachstum von verteilten Sensornetzwerken und dominieren den globalen Markt für verteilte faseroptische Sensoren. Die Technologie kann zum Beispiel in Tiefbohrungen und sowohl in ober- als auch in unterirdischen Pipelines zur Leckerkennung und -vermeidung eingesetzt werden. Die Technologie leistet auch einen wertvollen Beitrag im Bereich der Umkreissicherheit.

Nordamerika wird geografisch gesehen voraussichtlich der größte Markt für verteilte Sensoren sein – mit der Temperaturmessung als größter  Anwendungskategorie.

Verteilte Sensornetzwerke sind für eine Vielzahl von Anwendungen wertvoll, darunter Infrastrukturen für die Leckverhütung und -erkennung in Pipelines, für Öl- und Gasanlagen und die Überwachung von Bohrlöchern.

DAS, DTS und DSS (s.o.) sind alle für das Verhindern und Aufspüren von Pipeline-Leckagen geeignet. Ein DAS-Netz kann Lecks entlang einer Pipeline aufgrund des Lärms lokalisieren, der entsteht, wenn Flüssigkeit oder Gas durch ein kleines Loch austritt. Das Leck kann auch eine negative Druckwelle erzeugen, die aus der Druckdifferenz an der Lochstelle entsteht, die sich über die Länge der Pipeline ausbreitet und erkannt wird.

Ein DTS-Netz kann über den Joule-Thomson-Effekt Veränderungen der Bodentemperatur in der Umgebung von Hochdruck-Gasleitungen erkennen. Und mit Hilfe von DSS-Netzen kann ein Leck in einer Hochdruck-Gasleitung über den Joule-Thomson-Effekt eine Veränderung der Bodentemperatur sowie eine Hebung des Bodens verursachen. Auch Bodenbewegungen durch seismische oder geologische Aktivitäten können in der Nähe der Pipeline erkannt werden.

Verteilte Sensornetzwerke kommen auch bei Brücken, Stauanlagen und Deichen, für Feueralarm und -überwachung, bei der Energieversorgung, Überwachung von Versorgungsleitungen, bei der Eisenbahn und bei Gewerbebauten zum Einsatz. Darüber hinaus können DAS, DTS und DSS auch zur Überwachung von Unterwassersystemen (wie z.B. Strömungslinien, Pipelines und Unterwasserbefestigungen) eingesetzt werden. Die Netzwerke eignen sich auch für die Umkreissicherheit und den Schutz von Wirtschaftsgütern, wie z.B. Versorgungs- (Wasser, Energie, Kommunikation), Grenz-, Industrie- (Petrochemie, Raffinerie) und Transportanwendungen (Straße, Schiene, Hafen, Flughafen).

Jede Branche braucht Ihre Normen: Sie tragen dazu bei, Kompatibilität und Interoperabilität zu gewährleisten und die Produktentwicklung zu vereinfachen. Im Allgemeinen gibt es bisher nur wenige etablierte Richtlinien für die verteilte faseroptische Sensorik, obwohl inzwischen einige davon publiziert wurden. 

  • IEC 61757-1 Faseroptische Sensoren - Teil 1: Allgemeine Spezifikation 
  • IEC 61757-1-1 Faseroptische Sensoren - Teil 1-1: Messung der Zugbelastung - Spannungssensoren auf Basis von Bragg-Gittern, Fassung 1.0, 2016-02 
  • IEC 61757-2-2 Faseroptische Sensoren - Teil 2-2: Temperaturmessung - Verteilte Abtastung, Fassung 1.0, 2016-05 
  • SEAFOM-MSP-01 - Messspezifikation für verteilte Temperaturmessung, Januar 2016

Um die Vorteile optischer Sensortechnologien deutlicher ins Bewusstsein zu rücken, wurde eigens der Fachverband der "Fiber Optic Sensing Association (FOSA)" gegründet. Seine Aufgabe: ..."die Industrie, die Regierung und die Öffentlichkeit über die Vorteile der Verwendung fortschrittlicher faseroptischer Sensortechnologien aufzuklären, um die öffentliche Sicherheit zu erhöhen, die Sicherheit kritischer Einrichtungen und Infrastrukturen zu fördern und die Umwelt zu schützen". 

Die FOSA wurde im April 2017 ins Leben gerufen und hielt ihre konstituierende Sitzung im Mai desselben Jahres ab.

Bestandteile eines verteilten Sensornetzes

Wie andere Netzwerke auch, enthält ein verteiltes Sensornetzwerk sowohl aktive (Quelle/Abfrageeinheit) als auch passive (Glasfaserkabel, Hardware und Anschlußtechnik) Komponenten. Folgenden Faktoren sollten bei der Auswahl der Systembestandteile berücksichtigt werden: 

  • Ein kompaktes und widerstandsfähiges Kabeldesign, das unter verschiedenen Bedingungen eingesetzt werden kann, z.B. unmittelbar unter der Erde, an der Luft oder verschnürt 
  • Blendendesign (Appertur) und fest eingebettete Faser zur Einhaltung der maßgeblichen Dehnung und akustischen Empfindlichkeit
  • Fiber Market Insights geht davon aus, dass der Markt für faseroptische Sensoren bis 2026 mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 10,4 Prozent wachsen wird. Der Autor erwartet, dass sich die Temperatursensorik als führende Anwendungskategorie durchsetzen wird. 
  • Flexible Design-Optionen, mit einer Auswahl an Material- und Fasereigenschaften je nach Anwendungsanforderungen
  • Leichte Kabeloptionen für einfachere Installation.

Die Zahl der verteilten Sensornetzwerke wächst und bietet Vorteile für verschiedene Anwendungen, wie z.B. die Unempfindlichkeit von Lichtwellenleitern gegenüber elektromagnetischen Störeinflüssen, wenn sie als Sensormedium verwendet werden. In Industrie- und Fertigungsanwendungen, wo die Umweltbedingungen teilweise anspruchsvoll und die Verfügbarkeit sowie Zuverlässigkeit von entscheidender Bedeutung sind, ermöglichen die Netzwerke eine kontinuierliches Monitoring. Sie liefern kritische Analysen, die dazu beitragen können, potenzielle Probleme zu erkennen, bevor sie auftreten.

Zusammengefasst hat dieser Artikel einen Überblick über die verschiedenen Sensormethoden verschafft, die Funktionsweise der Technologie erläutert und viele der Vorteile und möglichen Anwendungen vorgestellt. Die verteilte Akustik-, Temperatur- und Spannungs- bzw. Zugebelastungsmessung betrifft viele Bereiche des Vertikalen Marktes, in dem Glasfaser für die Kommunikation verwendet wird.

In den letzten 10 Jahren ist die Technologie ausgereift und wird heute zur Überwachung von Tausenden von Kilometern Pipelines, Tausenden von unterirdischen Öl- und Gasbohrungen und vielem mehr eingesetzt. Da der Markt für die faseroptische Sensorik von 2016-2026 mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 10,4 Prozent pro Jahr wächst, steht dem Reifeprozess des Marktes, der Anwendungen und Lösungen nichts mehr im Wege.

Seit der Gründung der "Fiber Optic Sensing Association" hat die faseroptische Sensorik nun auch einen starken Fürsprecher, der Industrie und Regierungsbehörden umfassend informieren und die Akzeptanz der Technologie beschleunigen wird. Auch wenn Sie in diesem Artikel vielleicht zum ersten Mal von der verteilten faseroptischen Sensorik gehört haben, wird es höchstwahrscheinlich nicht das letzte Mal gewesen sein.